Wilhelm Conrad Röntgen - Nobelpreis auch ohne Abitur?!  
    
* 27.3.1845 Lennep (Schweiz) † 10.02.1923 München
   

 

 
Lennep, Am Gänsemarkt 1, so lautete die Anschrift des hoch angesehenen Kaufmanns und Tuchfabrikanten Friedrich Conrad Röntgen und seiner Frau Charlotte Constanze geb. Frowein. In ihrem heute noch existierenden Hause erblickte am 27. März 1845 ein Sohn das Licht der Welt, der auf den Namen Wilhelm Conrad getauft wurde. Einige Jahre später wanderte die Familie Röntgen nach Apeldoorn in den Niederlanden aus. Wilhelm Conrad Röntgen besuchte die Schulen in Apeldoorn und Utrecht, erhielt gute Zeugnisse, doch das Abitur blieb ihm versagt. Der Grund war die Karikatur eines Lehrers, die ein Mitschüler auf dem Ofen des Klassenzimmers gezeichnet hatte. Röntgen wurde von jenem Lehrer überrascht und für den Übeltäter gehalten; 1863 wurde er von der Utrechter Schule verwiesen. Nach mehrfachen Anläufen fand er am neu eingerichteten Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich doch noch Zugang zu einem ordentlichen Studiengang. Er betrieb das Studium des Maschinenbaus mit großem Ernst und Interesse. Glänzend bestand er die Diplomprüfung als Maschinenbauingenieur.

Der vierundzwanzigjährige Röntgen begann nun, angeregt durch den bekannten Professor der Experimentalphysik August Kundt, an der Universität Zürich Physik zu studieren und promovierte bereits 1869 zum Dr. phil. mit einer bemerkenswerten Arbeit über Probleme aus der Thermodynamik. In den folgenden Jahren blieb Röntgen als Assistent bei Kundt. Bei seiner angestrebten Habilitation wurde er wiederum auf Grund des fehlenden Abiturs mit Problemen konfrontiert. Dieses Hemmnis konnte er mit Kundt überwinden, der nach Straßburg berufen wurde und von nun an mit dem Chemiker Beyer Röntgen emsig unterstützte. Röntgen fungierte dort als Privatdozent. 1876 übernahm er die Stelle des zweiten Physikers als a.o. Professor in Straßburg. Hier entstanden eine Reihe hervorragender wissenschaftlicher Arbeiten. 1879 erhielt Röntgen den ersehnten Ruf auf das Ordinariat für Physik an der Universität Gießen. Er nahm an.

Wilhelm Conrad Röntgen war in der Fachwelt längst durch seine hohe wissenschaftliche Qualifikation bekannt. Er zählte zu den besten und präzisesten Experimentatoren seiner Zeit. Der Meister der Experimentierkunst brachte es fertig, 1885 den durch die Maxwellsche Theorie vorausgesagten Verschiebungsstrom (von Henri Poincaré später "Röntgenstrom" genannt) experimentell nachzuweisen und zu messen .1888 folgte Röntgen einem Ruf an die Julius-Maximilian-Universität Würzburg als Nachfolger des nach Straßburg berufenen Friedrich Kohlrausch. Sie boten ihm nun das Ordinariat für Physik an! Dies war rechtlich jetzt möglich, da er ja inzwischen habilitiert war. 1894 wurde er Rektor der Universität.

Wie viele zeitgenössische Physiker befasste sich auch Röntgen mit Kathodenstrahlversuchen unter Zugrundelegung der Arbeiten von Heinrich Hertz und P. Lenard. Während dieser Forschungen entdeckte Röntgen ein neues physikalisches Phänomen, das alle anderen Wissenschaftler bisher unbeachtet gelassen hatten. Es waren die bis dahin unbekannten Strahlen, die er "X-Strahlen" nannte und beispielhaft gründlich erforschte. Röntgen hatte so gründliche Arbeit geleistet, dass es erst 1905 Charles G. Barkla, Liverpool, gelang, etwas Neues über diese Strahlen zu finden.

Es erschienen drei Forschungsberichte Röntgens zum Thema "X-Strahlen". Am Abend des 23. Januar 1896 hielt Röntgen einen Vortrag vor der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft zu Würzburg. Zugegen waren bedeutende Persönlichkeiten der Wissenschaft, der Generalität und des Offizierskorps, der Öffentlichkeit und viele andere. Am Ende seiner Darstellung bat Röntgen, eine X-Strahlen-Aufnahme von der Hand des anwesenden berühmten Anatomen Geheimrat A. von Kölliker machen zu dürfen. Kölliker kam diesem Wunsch gerne nach. Als das fertige Foto gezeigt wurde, war für die Anwesenden die zukünftige weittragende Bedeutung der Forschung Röntgens für die Naturwissenschaften, die Technik und besonders die Medizin zu erkennen.

Kölliker schlug vor, die Strahlen zur Ehren Röntgens, "Röntgenstrahlen" zu nennen. Im Jahre 1900 folgte er einem Ruf an die Ludwig-Maximilian-Universität nach München, wo er bis zu seiner Emeritierung lehrte. 1901 erhielt Wilhelm Conrad Röntgen den Nobelpreis für Physik. Es war der erste Nobelpreis überhaupt, der vergeben wurde. 1923, im Alter von achtundsiebzig Jahren verstarb Röntgen an einem Darmkarzinom. Röntgens wissenschaftlicher Nachlass wurde auf Grund seiner testamentarischen Verfügung zum größten Teil verbrannt. Alle physikhistorischen Nachforschungen wurden dadurch erheblich erschwert.

Während seiner Laufbahn als Wissenschaftler veröffentlichte Röntgen 60 wissenschaftliche Arbeiten. Seine Publikationen lassen erkennen, dass er ein hochbegabter Physiker war. Nur in drei seiner insgesamt 60 Arbeiten befasst er sich mit der Physik der Röntgenstrahlen. Bereits 1860 hatten Experimentatoren beobachtet, dass Glühbirnen vor ihrem Licht geschützte photographische Platten mit ihrer elektrischen Entladung zu schwärzen vermochten. Röntgen suchte nach den Gründen dieses Phänomens und wies mit einem phosphoreszierenden Kontrastmittels die Existenz der unsichtbaren Strahlen nach. Er untersuchte deren Fähigkeit, in die Materie einzudringen, eine Eigenschaft, die insbesondere in der Medizin rasch Anwendung fand. Eine der bekanntesten Anwendungen ist die Radiographie - oder Röntgenaufnahme - von der heute jährlich mehr als die Hälfte aller Europäer Gebrauch macht.