Gerhard Hauptmann – ein berühmter Vertreter des Naturalismus  
    
*15.11.1862 Ober-Salzbrunn  + 6.6.1946 Agentendorf
   

 

 
Als Hauptmann „vor allem als Anerkennung für sein fruchtbares und vielseitiges Wirken im Bereich der dramatischen Dichtungen“ im Jahr 1912 den Literaturnobelpreis erhielt, stand der damals 50jährige Autor, der zu Beginn seiner Karriere mit formal und inhaltlich als revolutionär empfundenen Dramen für Skandale gesorgt hatte, auf dem Gipfel seines literarischen Ruhmes. Seine großen Dramen sind bis heute auf internationalen Spielplänen zu finden, auch wenn sich das Bild ihres Schöpfers wegen seines Schweigens während der NS-Zeit später verdüsterte.

Hauptmann gilt als bedeutender Vertreter des Naturalismus in Deutschland, eine literarisch-ästhetische Strömung des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Ihre besonderen Merkmale sind das Aufgreifen der sozialen Frage (im Gegensatz zur nationalen Frage),  das nie zuvor dagewesene öffentliche Interesse für das Theater und die Mittel des naturalistischen Theaters – sie  wurden am radikalsten von Hauptmann in den "Webern" oder "Vor Sonnenaufgang" umgesetzt: Konsequente Illusionsästhetik! d.h. szenischer Illusionismus. Man wählte Stoffe aus dem Kleinbürgertum oder dem Industriellenproletariat und ging davon aus, dass gesellschaftliche Phänomene mit den Mitteln der Naturwissenschaft, etwa der Darwinschen Vererbungslehre, erklärbar seien. Zu den dramatischen Mitteln gehörten vor allem die Gestaltung von Massenszenen und die Verwendung von Umgangs- und Vulgärsprache sowie Dialekt. Hauptmann entwarf neben seinen sozialkritischen Dramen für die Bühne und in – weniger erfolgreichen – Prosawerken auch symbolistische Märchen- und Traumwelten, etwa in den Dramen  „Himmelfahrt“ (1894) und „Und Pippa tanzte“ (1906).

Nach der Erzählung „Bahnwärter Thiel“ (1888), dessen Titelfigur von der zweiten Ehefrau zum Mond getrieben wird, gelangte 1889 Hauptmanns erstes Stück, das soziale Drama „Vor Sonnenaufgang“, im Berliner Lessingtheater zur Uraufführung und rief einen Skandal hervor. Geschildert wird vor dem Hintergrund der verelendeten Gerbleute Schlesiens der Verfall einer vom Alkoholismus zerrütteten Familie, deren Untergang ein zu Forschungszwecken ins Dorf gekommener Sozialreformer nicht aufhalten kann.

Nach nationalistisch gefärbten Artikeln im Ersten Weltkrieg bekannte sich Hauptmann nach 1918 zur gerade gegründeten Weimarer Republik und wuchs in die Rolle des Repräsentanten der deutschen Demokratie hinein. 1932 wurde er anlässlich seines 70. Geburtstags und seines letzten großen Theatererfolges mit „Vor Sonnenuntergang“ noch als Symbolfigur gegen den aufkommenden Nationalsozialismus gefeiert, doch enttäuschte der Dichter nach der NS-machtübernahme (1933) seine Freunde, als er im Land blieb und eine eindeutige politische Stellungnahme gegen das Terrorregime vermied. Vereinsamt starb er 1946 im Alter von 83 Jahren.